Ich leide…
Ich habe Urlaub und ich arbeite und ich bin krank und ich leide. Denn eigentlich habe ich Urlaub, denn ich habe Resturlaub und Nochurlaub und Vor-dem-neuen-Job-Urlaub und Verdammtnochmaldenhab-ichmirverdienturlaub, eigentlich habe ich Urlaub. Wenn dann nicht mein Chef angerufen hätte (der alte, der bis zum 1.4. gerade noch so Chef) und gefragt hätte, ob ich nicht kommen könne: Nachmittagsnachfolgekollegin krank, Vormittagsfestangestellte ungewillt 13Stunden zu arbeiten, Nachmittagsnotkollegin nicht eingewiesen, noch nicht mal ein bisschen. Das war Freitag, Freitag als ich in München war, Freitag vor meiner Grippe, Freitag, an dem ich für Dienstag zusagte, weil man eine frische Ersttagskollegin nicht einfach so allein da sitzen lässt im Nirvana der Ahnungslosigkeit und ich eben Dienstag wieder in Hamburg war.
Ich leide, denn seit Samstag zwingt mich mein Körper in die Knie: Meine Stimme hört sich wahlweise an wie die von Minnie Mouse oder Darth Vader. Wenn ich ein Quäntchen Frühlingsluft einatme oder ein Quäntchen Raumluft oder irgendein anderes Quäntchen Luft scheint es, als ob sich der Feinstaub (der ja inzwischen angeblich in jedem Luftquäntchen zu finden ist) zu einem Klettbandknäull entwickelt, welches ich dann versuche energisch runterzuatmen. Dies endet in einem stürmischen Hustenreiz, dem ich nachgebe und der mein Kleinhirn schwungvoll gegen die vordere Schädelplatte donnern lässt. Der charmante Nebeneffekt ist, dass ich beim Husten ein ganz neues Körpergefühl entwickele. Beispielsweise fühlt es sich an, als ob meine Schlüsselbeine auf Wanderschaft gehen von unter der Haut gen über die Haut. Von unter nach über die Haut wandern auch meine Fingerknöchel, das hat aber nichts mit dem Husten zu tun, sondern mit den Gliederschmerzen, die sich neben explodierenden Fingerknöcheln in nahezu jedem beugbaren Glied bemerkbar machen, außerdem kann ich erspüren wo die Rippenbögen auf die Wirbelsäule treffen – juhuuu, anatomische Selbsterkenntnisse… Schnupfen ist zum Glück aus, das einzige was läuft sind Tränen aus meinen Augen, denn Grippe geht innerfamiliär mit tränenden Augen einher und Lichtüberempfindlichkeit.
Wie gesagt ich leide, weil mein toller Urlaub ätzend ist zwecks Grippe und zwecks verfrühtem Ende, weil ich das Rettungsschiff bin, welches die neue Kollegin nicht im Ahnungslosnirvana sitzen lässt, sondern aushilft und arbeiten geht und einweist und genervt ist, weil ich fern von Gesundheit, noch ferner von Urlaub und viel zu nah am neuen Job bin.
Thema neuer Job: Morgen geht’s los, ich hab Schiss und – ach ja – ich leide.