Archiv für März 2012

die Abwesenheit von Pumas

März 23, 2012

Sie sagt nicht Bescheid, wie eine kalte Hand greift sie durch meine Brust, nimmt sich mein Herz und wringt – irrsinniges Gefühl von Panik. Das Blut schießt in meine Blutbahn, Adrenalin wird frei gesetzt, ich könnte vor einem Puma fliehen.

Kein Puma, keine Flucht.

Einatmen, ausatmen, gegen das Gefühl keine Luft zu bekommen. Ruhe bewahren nach außen und innen, nicht nach der Ursache forschen. Die Ursache ist irrelevant – keine Pumas.

Die Crux mit der Schönheit

März 21, 2012

Der Drang schön zu sein. Gerne würde ich Alice Schwarzer fragen, ob das auch so ist, wenn man eine bekannte Frauenrechtlerin ist und eigentlich besseres zu tun hat. Gerne würde ich wissen, ob Angela Merkels Mann sie sexy findet und noch lieber, wie sie sich selber findet. Ob sie jemals an der Auswahl an Hosenanzügen und diesem mutigen Prinz-Eisenherz-Gedächtnishaarschnitt gezweifelt hat, wegen dem Feedback ihrer Nation.

Fakt ist, ich wäre gerne uninteressiert aber noch lieber wäre ich schön.

Diese Attitüde, denn nichts anderes ist es, ist nervig. Ich bin nicht besonders eitel, ich renne nicht in Waxing-, Haar-, Fitness- oder Kosmetikstudios; ich frage mich im Stillen. Weil diese Frage lächerlich ist, weil es auf die inneren Werte ankommt und weil weiß, dass ich nicht hässlich bin.

Nur ist die Abwesenheit von Hässlichkeit Schönheit? Oder schwebt man in der Masse des ästhetischen Neutrums.

Frauenzeitschrift. Dossier zwischen zwei Modestrecken mit bildhübschen, groß gewachsenen, photoshopierten Frauen: Schönheit. Und der einprägsame Satz: In Sachen Intelligenz vergleiche ich mich ja auch nicht mit Einstein, sondern mit meiner Nachbarin. Da gewinne ich haushoch. Wenn ich mich in Sachen Schönheit mit meiner Nachbarin vergleichen würde, würde ich wahrscheinlich auch besser abschneiden. Tue ich aber nicht, ich vergleiche mich mit Cindy Crawford.

Da gewinne ich nur den Altersvergleich.

ich glaub, es hakt!

März 10, 2012

Okay, es ist ihr letzter Tag in HH, aber ich fall trotzdem gleich von Glauben ab…

Von vorn: In den letzten Monaten ist unser Kontakt etwas eingeschlafen, meine Schwermütigkeit und ihre Leichtfüßigkeit vertragen sich manchmal nicht, außerdem passiert so viel: Ausbildungsende, Verlobungsaus ohne Schmerzen auf ihrerseits (aber das nur fürs Protokoll), neuer Job, noch ein neuer Job und natürlich eine neue Liebe mit einigen Zwischenschritten – alles bei ihr.

Es gibt diese Menschen, die haben nach drei Tagen alles verarbeitet und die Welt ist wieder sonnig oder dreht sich weiter. Ob ich neidisch bin? Vielleicht ein mittelgroßes Quäntchen voll, aber mehr noch als das fassungslos, weil es mir so unbegreiflich ist.

Wir sahen uns wenig, zweimal Mittagessen, eineinhalb Partys, mein Weihnachtsessen, wenige Anrufe, bei einem von diesem erzählte sie von dem Matrosen. „Und ich schrieb ihm dann (per SMS): Ich bin dein Mädchen im Hafen und du mein Mann auf See.“ Ich reiße mich zusammen und kotze nicht in den Telefonhörer.

Neulich eine facebook-Einladung zu einer Party mit angekündigtem Überraschungseffekt.

Ich passe, mir ist nicht so, mir ist nach anderer Gesellschaft.  Ich sage ab. Statt Party- also dann telefonischer Überraschungseffekt: „Ich geh aufs Schiff für sechs Monate.

Es passt wie die Faust aufs Auge, denn der Matrose ist auch auf See, auf einem anderen, aber fast über den gleichen Zeitraum – es ist Schicksal. Was soll es auch anderes sein.

Lange waren wir wie Pech und Schwefel. Als ich bedauere, dass wir uns nicht mehr sehen, erfahre ich: Noch eineinhalb Wochen, eine davon Hochsee-Training in der Februarkalten Ostsee. Nächsten Freitag zum Spanier mit Freunden (Matrosenfreunden), ob ich mit will. Ich will.

Nächsten Freitag: Monstergrippe, bewegungsunfähig und vom Grafen liebevoll auf die Insel verwiesen mit Getränken, Taschentüchern und Curry versorgt. Ich gehe nirgens hin, schon der Weg ins Bad eine Überwindung. Weniger Überwindung kostet es Jammi mich bei meinem Absageanruf zu bitten ihre Klamotten und Bücher ihr Leben in Kisten zu packen – exklusive ihrer Anwesenheit, Kisten sind aber da. Es ist auch nicht viel – ich sage ja und überrasche mich damit selbst.

Jammi und ich treffen uns Dienstag – Schlüsselübergabe und Verabschiedung, ich noch recht lädiert und Jammi auch nicht sonderlich fit. Gestern hat sie den Matrosen an Bord gehen lassen und es schmerzt. Der Schmerz wird nicht lange anhalten – wie sie weiß – denn bald wird sie viel zu tun haben auf ihrer Seereise und wenn viel zu tun ist, man in kleinen Kabinen umringt von vielen ist, vergisst man auch Fernmatrosenweh schnell.

Diese Einschätzung ist realistisch.

Den Schlüssel hat sie vergessen. Dann muss sie los, denn die Zwischenmieterin kommt die Wohnung anschauen.

Verabschiedungsversuch 4, Mittwoch – der letzte Tag in Hamburg – Mittagessen mit ihrer Mutter und dem Hundetier, das Cinderella heißt und mindestens so hysterisch ist, wie der Name vermuten lässt. Die Jammimutter verteilt noch Informationen, zu wann alles wie verpackt sein soll und ich frage mich ob meine Wahrnehmung getrübt ist oder ob das schlicht dreist ist. Der Schlüssel wandert in meine Jackentasche.

Zwei Stunden später. Entscheidung: Meine Wahrnehmung ist nicht getrübt. Ich rufe an und mache mich gerade – für mich.

Was machst du denn heute Abend?

Eigentlich nichts wieso?“ (sie befindet sich mit ihrer Mutter in der Europapassage, Eis essen und Nägel machen – meine Wahrnehmung ist definitiv nicht getrübt.)

Ich erläutere kurz mein Unwohlsein, bei dem Gedanken ihr Leben allein in Kisten zu verpacken und schlage vor, dass wir das ja heute Abend zusammen machen können. Pech und Schwefel – verschiedene Menschen haben verschiedene Fähigkeiten; verschiedene Freunde, verschiedene Aufgaben, meine ist es meinen Mitmenschen zu helfen, ihr Leben in Kartons zu bekommen und Jammi hat noch einen gut.

Das Grübeln ist hörbar. Ich denke, wenn ich gefragt hätte, ob wir noch einmal nett essen gehen, hätte ich eine schnellere Antwort bekommen. „Eigentlich wollte ich beim Matrosen schlafen...“, sagt sie und ich, dass der schon auf See ist. Geruch, Bettwäsche, Erinnerungen und so, wir einigen uns auf zwei Stunden räumen und dann kann sie ja schlafen wo sie will.

Nach der Arbeit bin ich von der leisen Hoffnung beseelt, dass die Wohnung nicht so schlimm aussieht, denn einerseits hat sie gestern der Zwischenmieterin die Wohnung gezeigt und andererseits ist ihre Mutter ja auch da und wenn die nur ein bisschen wie meine Mutter ist, wurde die Wohnung bereits in ihren Grundfesten erschüttert und ein Gewisser Grad von Ordnung her gestellt.

Jammis Mutter ist nicht mal einen Millimeter wie meine Mutter. Sie und Jammi sitzen am Küchentisch zwischen sieben halb vollen Tee- und Kaffeetassen und essen Kuchen. Ich bemühe mich meinen Schock über den Wohnungszustand hinter einem angebotenem Stück Kuchen zu verstecken – klappt ganz gut.

Mit leicht weinerlicher Stimme – ich nehme es an es liegt an dem allumfassenden Abschiedsschmerz und der Angst ihre Tochter könnte von der See für immer verschluckt werden – erklärt die Jammimutter, dass sie es nicht befürwortet, dass wir jetzt noch räumen, wir sollen uns eine Pizza bestellen, sie käme dann die nächsten drei bis vier Wochenenden und kümmert sich um die Wohnung. Zwischenton: Sie opfert sich (kann aber auch in meinem Verständnis von Dreistigkeit liegen). Ich habe nicht den Müh eines schlechten Gewissens, Jammi seltsamerweise auch nicht.

Endlich nach drei Abschiedsfotos im Flur – Mutti mit halb tränenden Augen, Jammi mit rollenden – geht sie.

Ich beschließe: Wir räumen noch ein bisschen. Jammi lässt sich mitziehen – semibegeistert. 90 Minuten, 12 Kisten, einen dreiviertel Schrank, zwei Kommoden, ein Drittel Kosmetikschrank, ein halbes Bücherregal und die mehrfache Verwunderung was und wie wir hier Dinge in Kisten packen später, frage ich zwischen ob sie es schlimm findet, dass ich das nicht allein machen wollte.

Ich wollte dich mit dieser Bitte nicht überfordern.

Überfordern? Angemessene Begrifflichkeit? Ich zähle leise bis zehn, aus meinen Nasenflügeln kommen wohldosierte Rauchwölkchen.

Mutti war auch ein bisschen eifersüchtig, dass ich sie nicht gefragt habe…

Fassungslosigkeit fast nicht steigerbar.

Und dann doch noch ein bisschen, denn sie wird nicht zurück kehren, in diese Wohnung, die noch voller unsortierter, dreckiger, kaputter Wäsche, voller Schmutzgeschirr, voller halb aufgebrauchter, längst abgelaufener Kosmetika, voller Möbel, voller unsortierter Papiere steht. Die Zwischenmieterin ist die Nachmieterin, die bis zur Rückkehr ersteres ist, denn Seefahrer brauchen staatlich gesehen einen Heimathafen, und anschließend die Wohnung übernimmt, während Jammi und ihr Matrose dann in seine Wohnung nach Altona ziehen.

Ich schmunzle, weil es grotesk ist.

Der Müll bleibt oben stehen, wir nehmen nur die Bundeswehrtasche mit – 23,5kg. Jammi fährt das Auto vor. Wir drücken uns kurz, „gute Reise“, „pass gut auf Hamburg auf“ – Floskeln, wenig Pech und Schwefel.

besser

März 7, 2012

Du machst meine Tage besser.

schwedisch-deutsche Beziehung: Zugucken, lernen und beruhigt sein

März 7, 2012

Die Nachfolgerin der Patenkindmutter ist ein Segen, nicht immer beruflich, aber privat bringt sie Licht ins Dunkel.

 

Beziehungen kenne ich nur mit Anfangsglitter, eigene und die zum Zuschauen. Die Senioren mal ausgenommen, aber das Maximum an Streit, dass ich zwischen den beiden erlebt habe, ist Uneinigkeit. Vielleicht gepaart mit einer leichten Verstimmung, ansonsten aber alles friedlich. Nicht dass Streiten zwischenmenschliche Beziehungen hauptsächlich ausmachen sollte. Trotzdem nützlich zu wissen, wie das geht.

 

Mich macht Streit wahnsinnig. Verlustängste bündeln sich zu einem hysterischem Nacktmullmonster, das in Gozillagröße durch die Kleinstadt meines Gefühlslebens stampft und mir versichert: Es ist vorbei und es wird immer vorbei sein, du wirst vor Vermissen verenden und allein sein. Als wenn das nicht schlimm wäre, kommt während ich durchs Tal des Selbstmitleids warte, die Stimme der innerlichen Weisheit dazu, die sachdienlich einfügt, dass Schmerz vergeht, Zeit alle Wunden heilt, ich meinen Hang zur persönlichen Überdramatisierung überdenken sollte und kein Mensch unersetzlich ist.

 

„Außer dieser…“, brüllt Gozilla und ich merke wie ich mich selbst als lächerlich empfinde. Ja, ich bin ein theatralisches Miststück.

 

Die neue Kollegin ist Schwedin, Mitte vierzig und hat ein bezauberndes Jungszwillingspaar – beide, logischerweise beide 5. Außerdem hat die Schwedin Peter, Peter den Schwedinnenmann.

Sie führen eine Ehe, in der sie beschlossen hat seinen Nachnamen nicht anzunehmen, nicht aus emanzipativen Gründen, sondern aus ästhetischen, sagt sie und ruft seinen Nachnamen in einer Weise, die von ästhetisch wertvoll wirklich weit entfernt ist. Und sie führen eine Ehe, die den Untertitel tragen könnte: Es ist kompliziert, aber es ist Liebe.

 

Beruhigend schön.

Sorgen um besorgte Mütter

März 3, 2012

11:30 ich stehe in der Seitenstraße zur Hamburger und warte vor einem Gebäude, das nichtssagend ist und ein Klinikum für Oralchirurgie beherbergt. Mir ist schlecht, hinter den Türen liegt meine Mutter und wird auseinander genommen, ich klingle zweimal keiner öffnet, keiner antwortet. Macht das Gefühl nur semibesser.

Irgendwann lässt mich doch jemand rein und zwar der Kameramann, der meine Mutter zum Star der Oralchirurgie macht, was aber nicht der Grund für den Eingriff ist, diesen aber etwas bezahlbarer werden lässt.

Ich warte, Mutti wacht langsam auf und ich höre ihre Stimme, die fernab von der Klarheit ist, wie ich sie kenne. Aber sie scherzt… Ich fahre sie nach Hause. Möglichst langsam, Bodenwellen meidend.

Sie sieht aus als hätte sie den Klischkos gesagt, dass ihre Mutti fett sei. Bei Muttis hört auch das Gentlemansein der Klischkos aus. Es tut schon beim Hinsehen weh. Der Arzt hat neben der Videobesprechung mitgeteilt, dass es in den nächsten drei Tagen schlimmer und schmerzhafter wird. Ich habe Angst.

Mutti hält sich tapfer, wie immer.

Wir stehen uns in der Küche im Weg, ich mache Steckrübenpüree warm, nicht so wie sie sich das vorgestellt hat. Aber immerhin. Sie kocht Erbsen, Püriervorbereitungen fürs Abendessen. Kaffeetrinken, rauchen, Steckrübenpüreeessen, funktioniert teilweise, Geschmeidigkeit ist nicht zu erwarten, der Schmerz kommt langsam. Sie friert…

Nebenbei die Frage, ob ich jetzt beim Grafen wohne. Ich schmunzle innerlich. Ihre Befürchtung, dass ich mich aufreibe und/oder anschließend – nach dem WG-Dasein – in ein Loch falle, das bis Australien geht. Aber ich wollte schon immer nach Australien.  Ist-Zustand, was wird – keine Ahnung. Dass Aufreibung und Australienlöcher nicht ausgeschlossen sind – schon klar. Ich habe das ja nicht so mit Veränderungen.

Veränderungen wie meine starke, schöne Mutter zugequollen und schmerzverzerrt zu sehen, sind besonders anstrengend. Akutes Gefühl von Endlichkeit, Alter, Vergänglichkeit, Hilflosigkeit an. Und ja, ein Hang zur Überdramatisierung besteht.