Als ich in Hamburg studierte, wohnte ich in Barmbek. Barmbek ist keiner dieser hippen, schicken Stadtteile, Barmbek ist das „ehrliche“ Arbeiterviertel, übersäht von Backsteinhäusern, türkischen Gemüsehändlern und 1-Euro-Läden, die nach Knete riechen.
Meine Wohnung hatte eineinhalb Zimmer und nachdem ich mich lange gefragt habe, was denn ein halbes Zimmer sei, beantwortete sich diese Frage durch die Erstwohnung ganz von allein. Mein halbes Zimmer hatte die Maße 197cm mal 247cm, das weiß ich so genau, weil es unmöglich war für diese Wohnung bzw. dieses Zimmer ein Bett zu kaufen (Yvönnsche die Münchener Architektin sagt dazu, da hat wohl wer bei der Planung vergessen den Putz zu berechnen). Zumindest kein Bett, das man so reinstellen konnte wie ich es wollte (siehe 197cm), wir bauten eins mit Henrik einem um zwei Ecken befreundetem Tischler jüngeren unseres Jahrgangs. Das Bett hatte Hüfthöhe, auf Grund der Platzschaffung darunter – Stauraum für Stoffkisten. Die Wohnung war mit grauem Lenoliumboden, der immer irgendwie dreckig aussah, ausgelegt, zwischen Halbzimmer und Restzimmer gab es keine Tür und die Küche war eine Nische von 110cm mal zwei Meter (diese Angaben verstehen sich inklusive „Küchenzeile“), war man drin, war die Küche sozusagen voll. Es war eine tolle erste Wohnung.
Im Haus gegenüber zog zum studentischen Bergfest die beste Unifreundin – Jammi – ein und ab da war es wie ne WG mit langem Freiluftflur. An den unifreien Tagen gingen wir manchmal über die „Fuhle“, wo sich besagte 1-Euro-Läden, Discounter, Gemüsehändler, Bäcker und ähnliches aneinander reihen. Für einen Gesamtbummel über die Fuhle brauchten wir circa eineinhalb Stunden und zehn Euro… Um dann im Big Easy zu landen, wo das Essen nur aus Convenience Food bestand, aber unter Frühstücksideen Panecakes mit Marplesirup (Eierkuchen mit Ahornsirup) auf der Karte standen – frisch und conveniencefrei.
Inzwischen wohnen die beste Unifreundin und ich an zwei verschiedenen Ecken Hamburgs, also nicht mehr in Barmbek und sehen uns circa einmal die Woche innerstädtisch auf nen Kaffee – wenns sich anbietet und der Dienstplan passt auch zweimal. Dienstag: Mein Dienstplan verheißt Urlaub und ihrer frei, es bot sich an.
Da es Dienstag aber trotz Sonnenschein für alles zu „wetter“ war, landeten wir kurz nach dem innenstädtischen Kaffee bei mir auf dem Sofa mit Spaghetti, mehr oder minder tiefsinnigen Frauengesprächen, Bevely Hills CSI Miami, Ossi-roter-Grütze in charmantem Magenta und mit Froschaugen Sago, massenhaft Tee und der Besitz von Gästezahnbürsten führte sogar dazu, dass aus unserem netten Abend eine Art Mädchenpyjamaübernachtungsparty wurde…
Mittwochvormittag fuhren wir um der alten Zeiten Willen gen Barmbek und nahmen uns für die Fuhle zwei Stunden und zehn Euro, ließen weder KIK noch einen der gefühlt 30 1-Euro-Läden aus, schlenderten durch die Wohltatsche Buchhandlung, vermissten den geschlossenen Hertie schmerzlich, fochten mit Platikschwertern aus dem Kinderfaschingsbedarf und gönnten uns luxuriös je ein Stück Kuchen im Salü, der Konditorei, die eine der ältesten, sowie besten ist und sich bei Baiserliebhabern einen Namen gemacht hat.
Als wir dann zur Bahn gingen, sie Richtung Innenstadt und ich Richtung persönliche Drittwohnung ohne halbes Zimmer fuhr, die Schienen zwischen uns und wir winkten auf unterschiedlichen Bahnsteigen, war es so als würden wir uns jetzt lange nicht sehen. Dem ist nicht so…
Auf der Heimfahrt, Plobb macht das Handy und Jammi schreibt: „Danke für den Kurztrip in die Vergangenheit, jetzt hat die Realität uns wieder. Bis zum Wochenende!„ Und ich sag mal: Dito!