Archiv für Juni 2010

schöner Reisen: Schwenemark

Juni 30, 2010

Ich suche immer noch den Powerknopf für mein Gehirn.

Ich schlafe schlecht, was eigentlich unwahr ist denn ich schlafe wunderbar, wenn ich denn erstmal eingeschlafen bin. Einschlafen ist die große Herausforderung, schlafen geht…

Gegen neun abends bin ich so müde, das ich glaube jede weitere Minute Wachheit würde mich umbringen, ich würde einfach umfallen und erst wieder aufwachen, wenn mein grenzenloses Schlafdefizit ausgeglichen ist. Ich mache den Fernseher aus, erschöpft schleife ich meinen müden Lurchenkörper zum Waschbecken, schrubbe meine Zähne und werfe mir eine handvoll Wasser ins Gesicht. Und dann: Mein Kopf denkt.

Ich lege mich ins Bett und gucke an die Decke, die Rollos sind unten, es ist dunkel, aber mein Kopf denkt: Ich mache dann große Politik, kleine Politik (kommunal sozusagen), Firmenpolitik und keine Politik, suche den Powerknopf fürs Gehirn und finde ihn doch nicht.

Stehe wieder auf und sehe die Wiederholung vom Brücken am Fluss, was auch nicht hilfreich ist, wirklich nicht. Wohnzimmer geflutet, ich hoffnungslos verwirrt und allein im Abenddunkel mit der Frage, ob es magische, große Liebe und großes Glück in einem Packet zu kaufen gibt, ich gucke bei Amazon…  

Nach einem Nichteinkauf bei Amazon – denn das Paket „Liebe und Glück“ in der Großpackung ist leider aus – schlürfe ich noch etwas Internetberieselung, dann endlich später und damit viel zu spät gehe ich ins Bett.

Wie ich dann morgens zur Arbeit komme, ist mir selbst das größte Rätsel. Punkt acht zum Arbeitsbeginn aber bin ich dann voll da, hundert Prozent Einsatz mindesten und wenn ich die Kollegin dann gegen zehn Frage, ob sie dieses Jahr im Urlaub nach Schwenemark fährt, mag wer denken was er will, aber mit Schlafdefizit hat das nichts zu tun.

Radfahrslamom um Fahrbahnmarkierungen

Juni 27, 2010

Zwei Gläschen Holunderblütenlikör und ich könnte Slalom fahren um die Fahrbahnmarkierung der Hamburger Straßen.

Das Fahrrad macht ein surrendes Geräusch, der Wind flattert mir durchs Haar, mir ist sonnig, dem Wetter auch, meine Sonnenbrille spendet Schatten und freie Sicht auf die menschenleeren Straßen der Hansestadt, kaum ein Mensch ist zu sehen, kaum ein Geräusch zu hören, außer dem Sommergeräusch: Wind in Blätterdächern und Vogelgezwitscher. Es ist Sonntagnachmittag, Deutschland spielt gegen England um die Weltmeisterschaft.

Deutschland gegen England circa zehnte Minute und ich komme just in diesem Moment von eine Holunderblütenlikörverkostung samt vorangegangenem Freibadbesuch, ich empfinde wie Urlaub. Urlaub und die Stadt hat auch welchen Menschenurlaub – Urlaub von den Menschen – sozusagen.

Es ist Sonntagnachmittag, es ist WM und ich könnte Slalom fahren um die Fahrbahnmarkierung menschenleerer Straßen.

Baiserschlacht

Juni 26, 2010

Die Party wirft immer noch ihre Schatten voraus und während Photoshop sich mit mir nicht über das Aussehen der Einladungen einig wird, sich meine Meinung dazu (also zu den Einladungen) nahezu alle dreieinhalb Minuten ändert und ich wünschte, ich hätte eine Gehirnsofortkamera kocht meine Mutter Holunderblütenlikör.

Meine Mutter hat bisher meines Wissens noch nie Likör gekocht, bis Weihnachten 2009 lag die Likörmacht ganz in der Hand von meiner Oma, bis die Welle der Likörkochwut auf mich überschwappte und nun auch die Mutter infiziert. Und weil ein Likör quasi kein Likör ist und die Einladungen sich sowieso in der Unwilligkeit des Fertigwerdens üben koche auch ich Likör, keinen Holunderblütenlikör. Eierlikör zwecks großer Nachfrage Eierlikör.

Eierlikör aus vierzig Eiern, das ging recht flott. Nicht so flott ging allerdings der Baiser, denn wenn man Eierlikör aus vierzig Eiern kocht hat man genau vierzig Eiweiß übrig, die man ja schließlich auch noch verarbeiten muss. Baiser ist ja an sich keine komplexe Sache, auch in der Selbstherstellung nicht. Wäre da nicht die Trocknung, Baisertrocknung ist unglaublich zeitaufwendig. Baisertrocknung von Baiser aus vierzig Eiweiß nicht minder zeitaufwendig, insbesondere da der Ofen maximal zehn Eiweiße in Form fasst.

Ein Geduldsspiel, ein Baisergeduldsspiel für einen Ungeduldsmensch, was sich auch für Baisers kaum ändert.

Einreiseverbot

Juni 20, 2010

Ich werde wohl absolutes Einreiseverbot im wilden Osten haben.

Aber von vorn: Die große Party wirft ihre Schatten voraus. Nach dem großen Ziegenkäse-Creme-Brulee-Testkochen steht nun die Dekofrage im Raum. Eigentlich war geplant leere Weckgläser über die Tische zu verteilen und leere dunkelgrüne Flaschen und alles mit Kerzen und Teelichtern zu füllen und den ganzen Raum in ein Meer von Kerzen zu verwandeln.

Aber das Kerzenthema wurde ja bereits angesprochen und Kerzen alias offenes Feuer sowie das alte denkmalgeschützte Gebäude sind nicht unter einen Partyhut zu kriegen.

Da Opa aber pünktlichst zum Rentenalter seine Vorliebe für das Werke(l)n mit Holz entdeckt hat, wurd ich gerettet, die Birkenschonungen im wilden Osten jedoch nicht. Denn die Mutter brachte mindestens drei – Schonungen nicht Birken – im kleinen Moritzauto von ihrem Kurztrip im wilden Osten mit und somit ist die Partydeko zu circa vierzig Prozent gerettet, denn adrette Baumstammenden passen doch vorzüglich zum Märchenwaldmotto, das unsere Gäste bestimmt noch in den Wahn treibt.

Somit habe ich eine charmante Deko (Oma steuerte noch Blumenbestände bei), jedoch aber auf Grund großer Gefahr für Birkenschonungen jeder Art wohl absolutes Einreiseverbot im wilden Osten. Tja, irgendwas ist ja immer!

passiv Fußballschauen

Juni 19, 2010

Irgendwer in unserer Führungsriege scheint ein großer Fußballnarr zu sein und so war bei uns am Freitag großes firmeninternes Public Viewing, es gab einen solchen Andrang, dass man nicht nur auf der Dachterrasse, sondern auch noch in der Kantine Leinwände aufspannen musste und ein zweites Würstchenbratcateringteam angeheuert werden musste., denn es gab auch Würstchen zum Spiel der Spiele.

Alle waren eingeladen, alle außer mir. In meinem Dienstplan leuchtet Empfangsdienst in grün, denn Empfangsdienst ist immer grün, im Gegensatz zur Postrunde, die ist beispielweise rot.

Das Spiel beginnt, durch die gläsernen Fenster sehe ich die Straßen der Innenstadt, sie ist menschenleer. Ein Fahrradkurier verirrt sich und bringt eine Kuriersendung für die Buchhaltung. Das Telefon klingelt für die Geschäftsleitung, wie sich heraus stellt ein Mann ohne Fernseher, es sei nicht so dringend, wir plaudern eine Weile und er fragt, ob ich generell kein Interesse an Sport habe oder nur nicht an Fußball. In Sachen Fernsehsport entscheide ich mich grundsätzlich für Boxen, aber nur Schwergewicht. Das findet er ungemein komisch und beschließt beim nächsten Besuch einen genauen Blick hinter den Tresen zu werfen.

Hinter mir höre ich Geächze, das nur semipositiv klingt, ein verzweifeltes „Neeeeeeeeeein“ verstärkt den Verdacht. Schwarz-rot-gelb- beziehungsweise trikotbekleidete Menschen mit leidenden Gesichtszügen verlassen in Scharen die Kantine und Strömen zurück in ihre Büros und ich stelle fest, es hätte mich schlimmer treffen können. Insbesondere da mein Fußballdesinteresse auch zur WM-Zeit kaum sinkt.

damals im Internat… – Teil 3

Juni 18, 2010

Als wir, wobei zu sagen ist, dass mit wir meine gesamte Klasse gemeint ist, zur Zehnten in die Oberstufe wechselten, was im Internat einen Umzug in ein neues 40km entferntes Schulgebäude bedeutet, war es nach nicht mehr als drei Wochen so, dass alle unsere Jahrgangsstufenjungs Alkoholverbot hatten.

Wobei zu sagen ist, dass Alkoholverbot eines der schlimmeren Internatsverbote ist insbesondere, da diese neue Freiheit, denn in der Unterstufe ist das Alkoholtrinken nahezu gänzlich verboten, sehr geschätzt wurde. Wie das so mit neugewonnene Freiheiten ist wurde diese bis zum Rand ausgereizt und nach mehreren Randüberschreitungen eingestellt – von der Lehrkörperschaft.

Somit wurde das gelegentliche Alkoholtrinken auf den roten Platz verlegt, wobei zu sagen ist, dass der rote Platz roter Platz heißt, weil es ein Basketballplatz mit rotem, leicht federndem Grund ist.

Wenn ich also des Nächtens ein erschöpftes Kratzen an meiner hölzernen Zimmertür vernahm, wobei zu sagen ist, dass Lehrer klopfen und Schüler kratzen, konnte ich fast sicher sein, dass es einer unserer Jungs war: „Duuuuuuuhu Lies, kannst du mal MF von roten Platz abholen, der ist da noch.

MF ist einer meiner liebsten Schulfreunde und der auffälligste Betrunkene, den sich die Welt vorstellen kann.

MF abholen gehört somit nicht wirklich zu meinen favorisierten nächtlichen Beschäftigungen, da aber nach Alkoholverbotsverstoß, Suspendierung und Kündigung folgt, werfe ich mir über meinen Schlafanzug einen Bademantel, wickle mich in einen Schal, ziehe Schuhe an und verlasse das Schloss. Wobei zu sagen ist, dass mein ehemaliges Internat auf einer stattlichen Anhöhe umgeben von Wald liegt und eben ein Schloss ist.

Je nach Wegwahl geht man auf dem Weg zum roten Platz an drei bis fünf Lehrerwohnungen vorbei, alle mit unterschiedlicher Gefahrenzone, auf jeden Fall aber am Torhaus, dem B-Heim und der Turnhalle und somit weiteren drei Lehrerwohnung, dann ein Stück durch den Wald (toll wenn man nahezu nachtblind ist) und dann noch einmal abbiegen und schon ist man da, im Hellen dauert es rund acht Minuten im Dunkeln brauche ich rund zwölf.

Für den Rückweg… Dazu später mehr.

Auf dem roten Platz sitzt MF zwischen einigen leeren Bierdosen und summt ein Partylied. „Schön, dass du da bist Lies. Hier geht voll die Party…“ „MF, du bist allein.“ „Die kommen alle zurück, die sind nur kurz – ei, wo sind die denn alle?“ „Max wir gehen jetzt ins Bett!“ „In dein Bett?“, MF ist vollkommen schockiert, denn er steht weniger auf mich als mehr auf den blonden burschikosen Typ Frau. „Nein, ich in meins und du in deins.“ „Das ist gut!“, er ist beruhigt und wir tingeln los.

Der Waldteil ist der harmlose Teil.

Kurz vor der Turnhalle beginne ich zu flüstern: „Max? Wir spielen jetzt ein Spiel wir sind jetzt mal ganz leise!“, lang erprobt beginne ich den Kampf einen gut-angeheiterten MF mit dem Drang zum Auffallen an gefühlt dreihundert Millionen Lehrerwohnungen vorbei in sein Zimmer zu schleusen. Max summt: „Wir sind ganz leise, ganz leise…“, dies tut er glücklicherweise ebenfalls ganz leise, ganz leise. 27Meter nach der ersten Lehrerwohnung, der Sportlehrerwohnung in der Turnhalle (fast zu Klischee um wahr zu sein), direkt vorm B-Heim und somit Lehrerwohnung zwei, Lehrer und Lehrerin mit drei kleinen Kindern, der Stelle unser beschwerlichen Reise mit den wenigsten Versteckmöglichkeiten, denn vor uns ist eine Brücke und hinter uns nur ein gut einsehbarer Minispielplatz beginnt MF erneut mit einem „wir sind ganz leise, wir sing ganz leise“, nur singt er nicht mehr ganz so leise sondern weder schön noch leise dafür aber aus vollem Hals.

Neues Spiel, jetzt laufen wir…“, ist meine Ansage dazu und renne MF ziehend bis zum Tor.

Gefühlte drei Millionen Lehrerwohnungen weniger drei. Ich wähle wie meist nicht den Weg mit den wenigsten Lehrerwohnungen, sondern den mit den am wenigsten gefährlichen Lehrerwohnungen. Im dritten Stock des Schlosses befinden wir uns quasi auf der Zielgerade. Ich drücke die Türklinke und nichts passiert, meine Augenbraue geht hoch und ein Wo-ist-der-Schlüssel-Blick zu MF. „Weißt du, wenn ich betrunken bin verlier ich doch immer meinen Schlüssel, deshalb habe ich ihn drin gelassen.“

Grundsätzlich keine schlechte Idee, wäre da nicht der Mitbewohner HB, der um das Spiel des Betrunkenendekorierens weiß und nachdem er – ohne MF – die Party verließ, die Zimmertür mit sich dahinter abschloss. „Du bleibst hier.“, ordne ich im Flüsterton MF an, der sich inzwischen vor die Tür gesetzt hat. Er nickt und ich hole einen Wecker.

Durch einen schmalen Zwischengang gehe ich auf den Balkon der zu drei Schülerzimmern, MFs und HBs eingeschlossen, ich stelle mich auf den Fenstersims und halte den klingelnden Wecker durch das gekippte Fenster. Es klingelt. „Eine Lichtgestalt, eine Lichtgestalt“, ruft HB mir vom oberen Teil des Stockbettes zu. „Lies warum bist du denn so eine Lichtgestalt?“, ja Alkohol tötet Gehirnzellen, hinter mir glimmt eine Laterne, die dort immer glimmt. „HB, MF hat keinen Schlüssel, lass ihn mal bitte rein.“ HB klettert vom Stockbett, nachdem er fast unten ist, klettere ich vom Fenstersims, gehe zurück zu MF und warte auf ein Klinkenklicken, nichts klickt. „Schlafen wir jetzt doch bei dir?

Und alles wieder zurück auf Anfang, durch den schmalen Zwischengang, Fensterbank, der Wecker, das geöffnete Fenster, „eine Lichtgestalt, eine Lichtgestalt“ (nur diesmal eben aus dem unteren Teil des Stockbettes, denn genau so weit war HB wenigstens schon gekommen.

Und endlich – mindestens eine Stunde nach dem Loslaufen – ein lang ersehntes Klinkenklicken…

Nachtrag: „Wobei zu sagen ist…“ dient heute als allumfassendes Stilmittel zur Einbindung von Internatsinterna, die zum Verständnis der Geschichte von Nöten sind….

berauschende Stoffträume

Juni 15, 2010

Holländischer Stoffmarkt im Hamburger Alstertal: Das ist als gäbe es nie und nimmer und auch sonst nicht, nirgends Stoff in Hamburg und so reihen sich massenhaft Pünktchenstoffverkäufer, an Fleecehändler und Chiffondealer, direkt daneben eine Zutatenvertreterin und dazwischen Frauen über Frauen allen Alters. Da ist alles dabei der einfache Dunkelanbeter-Goth trifft auf die engagierte Fünffachmutter, dazwischen politisch-biologisch-korrekte Grünenwähler in Leinenbekleidung und Modedesignstudentinnen in Röhrenjeans.

Es hat was von türkischem Basar, anstehen ist nicht, es wird so gedrängelt, dass mein morgendliches Halbschlafich sich wie in einem In-Club auf’m Samstag gegen zwei fühlt auf dem Weg zur Damentoilette, ich wipp-woge im Menschenbrei nähnärrischer Frauen und lasse mich von Stand zu Stand schwemmen.

Stoffenden werden in die Luft geworfen, Hände gleiten über Stoffballen teilweise mit verschlossenen  Augen, es wird aufs wildeste diskutiert, Scherengeklapper hinter den Ständen und Preisangaben mit holländischem Akzent, Schnittmuster werden ausgepackt, der Gebrauch von Hüftbögen erklärt, überall glitzert es und funkelt anreizend, wir sind verzückt – alle miteinander und jeder für sich.

Ich habe Pläne und verfalle dem Rausch, ich kaufe Frottierstoff der Pläne wegen; Overlockgarn, weil’s günstig ist; acht Meter Organza, den ich beim Regenschauerflüchten erspähte und einen mandala-gemusterten Chiffon, der irgendwie indisch ist und traumhaft zu meinen Haaren passt. Den Kopf voller Ideen, im Bauch ein wohliges Gefühl und mit vier Tüten bestückt, trete ich den Heimweg an, gespannt auf die Dinge, die diese Tüten voller Stoff hervor bringen werden.

das „Peripher-Interesse“

Juni 14, 2010

Sollte Peripher-Interesse jemals als Hochschulkurs angeboten werden bin ich die erste, die sich einschreibt, denn Peripher-Interesse kann man immer mal gebrauchen.

Ich denke an den Satz „Das tangiert mich nur peripher…“ und wünschte das/alles/jenes/manches/vieles/einiges würde mich nur peripher tangieren. Aber ich bin die Tangierte, obwohl mir die mathematische Tangente alias die Berührende statt der Berührten gelegentlich lieber wäre, aber das gehört zu den Dingen, die man sich wohl nicht selbst aussuchen kann.

Am schlimmsten ist Zwischenmenschliches. Plötzliche Funkstille nach einer Miniauseinandersetzung und mein Hirn rattert tagelang, es ist zum Wahnsinnigwerden, insbesondere wenn Ansprechen nicht wirklich möglich ist und dann grüble ich und schlafe schlecht, verwerfe alles, tue es ab, versuche mich in Peripherie, dies missglückt und der Überlegprozess beginnt von vorn. Erkenne ich eine persönliche Mitschuld – und als reflektierendes Menschenkind bin ich mir meiner Teilschuld stets bewusst – am Vielleichtdisput erhöht sich mein inneres Leiden exponentiell.

Dann möchte ich ein klebriges Karamellbonbon und ein Gänseblümchen unter die Nase des Eventuellbestrittenen halten und mit großem Liebschauaugen verkünden: „Du hast mich lieb.“ Was keine Frage ist, sondern eine Aussage und bei solchen Liebschauaugen und klebrigen Karamellbonbons kann keiner wirklich böse sein, zumindest wenn man weit unter ein Meter fünfzig ist.

 …

Nun ja, bin ich nicht: 1,72cm und karamellbonbonfrei!

allein, allein – mittig in Reihe L

Juni 12, 2010

Ich fasse mir ein Herz, ich lade mich in Kino ein – allein, allein.

Die Karte habe ich schon vor dem Abendessen gekauft um nicht die Flucht zu ergreifen nach der Pasta und meine Couch dem dunkelroten Kinosessel vorzuziehen. Neun Euro kostet Kino inzwischen und das auch nur in der Holzklasse, aber Holzklasse ist gut, ich sitze in Reihe L und mittig noch dazu.

So mittig, dass direkt neben mir – ohne Anstands-, Anstandsplatz dazwischen – eine Arbeitsgemeinschaft von Schwestern des naheliegenden Krankenhauses Platz hat und auf die andere Seite noch ein Pärchen passt. Zu einem Film, einmal Popcorn und einer Kola kommen also ein Pärchen und eine zehnköpfige Frauengruppe. Sich allein fühlen funktioniert in großen, fremden Gruppen immer noch am besten.

Noch fünfzehn Minuten bis der Film anfängt, vor mir sitzt jetzt ein weiteres Pärchen, ich drehe mich um und stelle fest, dass ich von den einzigen zwei Männern umgeben bin, die sich überhaupt in diesem Kino befinden, ich wundere mich nicht – eine weibliche Kinoheerschar sozusagen. Eine der zehn Krankenschwestern neben mir stellt die Beine auf einen mittelgroßen Karton, „Führen Sie den immer mit?“, versuche ich mir ein halbes Gespräch zu erschleichen, sie lächelt und entgegnet ein „Sicher doch.“, dann geht’s aber weiter über Kinder, Abibälle und passende Handtäschchen, noch dreizehn Minuten, ich schalte mein Handy aus.

Der Saal verdunkelt sich, endlich der Film beginnt, beziehungsweise die Werbung, aber Kinowerbung hat doch irgendwas, ein schlecht gemachter Charlies-Angels-Verschnitt-Spot wirbt für das Nagelstudio um die Ecke, riesige Eiskonfektstücken wandern quer über die Leinwand von ihrem Mund in seinen Mund keck verbunden durch einen Kuss (jaja, Gefrierkalorien erhalten die jugendliche Liebe), frische CDs werden umworben, ich krame in meiner Handtasche und mache eine Notiz für ROX, die neue GEZ-Werbung hat massig Fußballbezug und tritt bei mir eine leichte Werbeenttäuschung los , ich vermisse das disch-disch-disch schwarzer Grund mit weißen Großbuchstabenumrandungen „GEZ schon gezahlt„, aber man kann es nicht jedem Recht machen, die Fußballnation freut sich sicher.

Ein weiteres Monstereis wird eingeblendet, dann Pause, adrette Mädels mit Eisbauchläden, wieder abstrakte Musik, der Kino-DJ (oder kommt das vom Recorder) hat einen Hang zu seltsamen Übergängen und keine Skrupel Nirvanas „Poly wants a cracker“ direkt nach einer 80er-Jahre-Modern-Talking-Gedächtnisstütze zu spielen. Endlich wird die Musik leiser, die Bauchladenschönheiten verabschieden sich mit einem geübten „Schöne Vorstellung!“, ich knabbere eisfrei an meinem Popcorn. Es geht los.

Pünktlich zur beginnenden Hauptfilmvorstellung stellen sich mir die Armhaare gleich einer Laolawelle auf und ein Schauer huscht mir über den Rücken, „Es ist immer so frisch in Kinos…“, sagt die Krankenschwester mit den hochgestellten Beinen, aber nicht zu mir. Ich glaube, das ist Kinostrategie um die Spannung zu steigern, um ein bisschen Rührung herzustellen, Aufregung zu produzieren.

Ich liebe Kino, ich vergesse es nur immer wieder. Ich bin sehr empfänglich für Spannung, Rührung und Aufregung, aber vor allem Rührung.

Mittendrin – so überraschend als wäre das Band gerissen (kommen Kinofilme noch vom Band?) – eine Pause, inmitten einer Poolszene schwarzer Hintergrund und darauf gleich einem Stummfilm „Pause“ in weißer Schrift, „Weil Frauen immer aufs Klo müssen“, sagt dem männliche Teil des Pärchens neben mit und dann geht das Getippel los, übergeworfene Jacken lassen eher eine Kippenpause wie zur Schulzeit vermuten und rund zehn Minuten später sind wir wieder am Pool mit vier New Yorkerinnen in phantastischen Roben.

40 Minuten später ist alles vorbei, mein Kopf schwingt zur Schlussmusik, drinnen gedankliche Modenschauen, kurz bin ich wieder ganz Modemädchen und morgen dann Stoffmarkt im Alsterdorf.

Vorbereitungen und Ziegenkäse

Juni 9, 2010

Samstag ist es endlich so weit. Okay, Samstag in sechs Wochen ist es endlich so weit, aber auch das ist nicht ewiglich hin…

50.Geburtstag feiern wir, wir sind Jammi – die beste Unifreundin – und ich, aber das inzwischen auch schon seit etwas über einem Jahr, aber den 50. feiern hört sich definitiv besser an als den 52. feiern und wer früher anfängt mit dem Alter zu schwindeln bleibt schließlich länger jung. Das aus der 50.Geburtstagsfeier eine Schein-50.-Geburtstagsfeier wird hat mit der Verstrickung sämtlicher Optionen zu tun und unserer akuten Geldknappheit im letzten Jahr.

Dieses Jahr ist alles anders. Zu allererst ist unsere Wunschfeierörtlichkeit endlich frei und auch für uns miet- und bezahlbar. Ein schönes halbes Fachwerkhaus mit schönen frisch renovierten Toiletten. Schöne Toiletten sind ein wichtiges Kriterium, abgeplatzte Fliesenspiegel machen das schönste Ambiente (was für ne Ente?) zur Sau. Hier gibt es Holztüren leicht modern und weiße Fließen und Papierhandtücher, die weiß, weich und flauschig sind und nicht wie ostdeutsches Toilettenpapier mit Peelingeffekt anmuten. Zu den Toiletten gibt es Aussicht, Bühne, Geschirr, ne Küche und auch sonst alles, was das Herz von Feierwütigen begehrt.

Mottoparties lösen bei circa 90Prozent unseres Freundeskreises akuten Würgreflex aus, aber wer zum Motto steht, steht zur Party, drum steh zur Party, in diesem Fall: Märchenwald.

Auf meinem Schreibtisch liegen Stofffitzel, Kunstblumen, Plastikblätter, Raum- bzw. Sitzpläne und mindestens drei Kochbücher. Do-it-yourself, wir haben hohe Ansprüche vor allem an uns selbst.

Jammi wollte grillen, ich fand grillen eher so semioptimal und bei dem Gedanken an Feenkostüme mit Grillfleischbrötchen zog sich mir die Stirn ganz kraus. Bei der Besichtigung der wunderbaren Feierlokalität machte mir oder besser gesagt Jammi der Herr von der Verwaltung charmant einen Strich durch die Rechnung: „Offenes Feuer, Kerzen, Fackeln, Grill usw. ist hier in jeglicher Art verboten, das nur so anbei.“ Und nur so anbei mache ich drei kleine Kreuze, auch wenn mich die Nichtfeueraktion in ein Dekodilemma stürzt, aber auch das passt schon.

Passt alles schon.

Insbesondere auch das Rezept für Ziegenkäse-Creme-Brulee, die ich auf den Speiseplan geschrieben hab als herzhaftes Buffetbeiwerk. Heute hab ich den ersten Testlauf absolviert Ziegenkäse, Sahne, Milch, kein Lebensmittelleichtgewicht, die Masse kommt ins Wasserbad und samt Wasserbad in den Ofen für geraume Zeit bei 150Grad. Noch fehlt das Feuerzeuggas für meinen Gourmetbrenner, der seit Weihnachten immer noch auf seine Einweihung wartet. Morgen schlägt seine große Stunde, die Masse schmeckt super. Zucker setzt dem hoffentlich die Krone auf und dann noch ein Chutney dazu…